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Frage und Bedeutung

Wie bin ich zu dem geworden, der ich heute bin? Das ist wichtig für mein Selbstverständnis, meine Zielsetzungen, die Resilienz und interpersonelle Beziehungen.

Ausdifferenzierung der Disziplinen

Wen kann ich um Rat fragen, wer hilft mir, diese komplexe Frage zu beantworten? Welche Fachbereiche können Auskunft geben über die Entwicklung einer Person? Mir fallen mindestens fünf Disziplinen ein: Philosophie, Psychologie, Soziologie, Kulturwissenschaft und Biologie. Diese Disziplinen haben sich jedoch über die Zeit stark spezialisiert. Die allgemeine Biologie unterteilt sich beispielsweise weiter in Genetik, Molekularbiologie, Epigenetik und DNA-Methylierung.

Wissensexplosion

Selbst wenn ich Antworten auf allgemeiner Ebene erhielte, zum Beispiel aus der allgemeinen Biologie oder Philosophie, wären diese sehr umfangreich. Das Wissen hat enorm zugenommen. Bis 1900 benötigte es noch 100 Jahre für eine Verdopplung der gesamten Wissensmenge, nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch 25 Jahre, und gegenwärtig verdoppelt sich die Wissensmenge in Bereichen wie Medizin oder IT gar alle 12 Monate.

Lexikalische Antworten

Letztlich erhielte ich eine Sammlung lexikalischer Beiträge bezüglich meiner Erziehung, Erlebnissen und Erfahrungen aus Wirklichkeit und Literatur, genetischen Veranlagungen, der vorherrschenden Kultur, meinem sozialen Umfeld oder der Bedeutung meiner individuellen Freiheit.

Phänomen

Ich, meine Person, mein Wesen, als einheitliches Phänomen, ignoriere die Ausdifferenzierung der Wissenschaften; ich verweigere mich einer eindeutigen Zuordnung. Keine einzelne Wissenschaft kann mich vollständig erfassen, und das Erfassen aller Aspekte meiner Person bedeutet nicht, mich als Ganzes zu begreifen. Ich werde mich auch nicht der neuen Leitwissenschaft der Neurobiologie unterordnen, das alle anderen Wissenschaften unter ihr Paradigma zu subsumieren versucht.

Annäherung an die synthetische Philosophie

Mein Vorschlag ist eine Annäherung an die sogenannte Allgemeine Systemtheorie oder synthetische Philosophie, denn sie berücksichtigt die Probleme der Fragmentierung der Wissenschaften und der Wissensexplosion. Als ersten Schritt suche ich nach einem Schlüsselmoment in meinem Leben, der mich besonders geprägt hat, und analysiere sehr grob, wie verschiedene Faktoren aus unterschiedlichen Disziplinen dabei zusammengewirkt haben. Das Ziel ist möglichst viele verschiedene Perspektiven zu einer kohärenten Synthese zu verbinden.

Schlüsselmoment

Der Beginn meiner Selbstständigkeit dient uns als Beispiel. Es soll ein ganzheitliches Bild entstehen, das sowohl die Komplexität des menschlichen Daseins als auch meine individuellen Erfahrungen und die Dynamik der Umwelteinflüsse würdigt. Und wie gesagt, es handelt sich hier nur um eine Annäherung, einen ersten Eindruck der Vollziehung einer Synthese, bevor wir in späteren Untersuchungen tiefer eindringen in die Funktionsweise der Allg. Systemtheorie.

Vorgeschichte / Kontext

Es ist Ende 2019, und ich habe endlich meinen Bachelor-Abschluss in der Tasche. Meinen ursprünglichen Plan, Dozent zu werden, gebe ich auf. Da ich technikbegeistert bin, beschließe ich, mich im Bereich IT-Support und Webdesign als Freiberufler zu versuchen. Das setzte ich tatsächlich um, worüber ich mich manchmal immer noch wundere.

Perspektiven

Nehmen wir jetzt nacheinander die Perspektiven der einzelnen Disziplinen ein.

Philosophisch betrachtet, kann die Wahl der Selbstständigkeit als Ausdruck des Strebens nach Selbstverwirklichung und der Gestaltung des eigenen Lebensweges gesehen werden. Nach vielen Jahren des Lernens und Befolgen akademischer Regeln bzw. des einengenden Studienalltags wollte ich vor allem nicht mehr tun müssen was ich nicht wollte. Selbständigkeit bedeutet natürlich nicht alles tun zu können, nur ist der Spielraum sehr viel größer als in einem Angestelltenverhältnis. Ich setze Ziele und Pläne für deren Umsetzung selbst fest und bin auch allein verantwortlich für ein Scheitern und meist allein zur Rechenschaft zu ziehen.

Psychologisch betrachtet war zu allererst mein unverbesserlicher Optimismus involviert. Ob eine besondere Risikobereitschaft bestand, kann ich nicht sagen. Auch erinnere ich mich nicht an eine besondere Motivation weil ich unbedingt eine geniale Geschäftsidee verwirklichen wollte. Wie auch mein Wechsel zu einer Kollegschule oder einer FernUni statt einer ordentlichen Präsenzuni, schien mir die Freiberuflichkeit naiv der einfachere Weg zu sein.

Soziologisch spielten mit Sicherheit zwei Verwandte eine Rolle, die schon lange selbständig bzw. richtige, gestandene Unternehmer waren, von denen der eine mir Mut zusprach. Mir noch näher stehende Personen zeigten eher Verwunderung über meine Pläne, denn immerhin hatte ich viele Jahre in das Studium philosophischer Texte investiert und war jetzt dabei mich völlig neu auszurichten.

Kulturwissenschaftlich oder besser gesagt „kultursoziologisch“ oder „soziokulturell“ betrachtet, prägte MJ DeMarcos „The Fastlane Millionaire“ meine Vorstellung von Erfolg und Unternehmertum. Durch diese Lektüre lernte ich eine Gegenkultur zur Traditionellen Arbeitsauffassung. Nur der Titel ist reißerisch, der Inhalt ist solide und inspirierte mich abseits konventioneller Karrierepfade zu agieren.

Zwei dedizierte biologische Faktoren, die relevant sind umfassen zum einen genetische Prädispositionen. Dabei können Varianten in bestimmten Genen, die mit dem Dopamin- und Serotoninsystem verbunden sind, mit Persönlichkeitszügen wie Risikobereitschaft und Unternehmergeist korrelieren, und Unternehmergeist besitze ich. Zum anderen behaupte ich zumindest, dass ich Stress gut bewältigen oder mich zumindest gut selbst beruhigen kann und das wird teilweise auch durch biologische Mechanismen bestimmt, einschließlich der Funktionsweise der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, die die Reaktion des Körpers auf Stress steuert.

Zusammenwirken

Natürlich stellte ich die folgenden Perspektiven bzw. Faktoren stark vereinfacht dar: Wunsch nach Selbstverwirklichung, Optimismus, familiäre Unterstützung und Skepsis, Inspiration durch einen populären Ratgeber und die angeborene Risikobereitschaft und Stressresistenz. Sie ergänzten sich und schufen zusammen ein Fundament für meine berufliche Umorientierung.

Fazit

Das umfassende Wissen, das wir Menschen ansammeln, dient nicht nur abstrakten wissenschaftlichen oder technischen Zielen, sondern hat auch konkreten Nutzen für unser persönliches Leben. Jedes Stück Wissen, ob aus der Biologie, Psychologie oder einer anderen Disziplin, trägt dazu bei, unser Verständnis für uns selbst und die Welt zu vertiefen. Dieses Verständnis ermöglicht es uns, bewusstere Entscheidungen zu treffen, die unser Leben direkt verbessern.


Folgendes Buch bildete die Grundlage meiner Überlegungen: Günter Ropohl – „Allgemeine Systemtheorie: Einführung in transdisziplinäres Denken“ (2012)